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Frische Luft für dichte Häuser

Gerne sprechen Öko-Bauherren von atmenden Wänden. Doch für den notwendigen Luftaustausch in den Räumen muss es schon ein atmendes Haus sein.

Wie bei der Atmung von Mensch und Tier muss verbrauchte Luft hinaus befördert werden. Das kann zufällig geschehen, manuell über die Fenster oder automatisch mit Hilfe von haustechnischen Anlagen.

Atmende Wände - eine weit verbreitete, leider aber irrige Annahme. Dass ein Luftaustausch durch Bauteile wie Dach, Wände oder Fenster stattfindet, ist absolut unmöglich. Lediglich ein minimaler Feuchtigkeitsaustausch über Diffusion ist möglich, der jedoch so gering ist, dass er gegenüber allen anderen Effekten für die Raumluftqualität völlig vernachlässigt werden kann. Der einzige Vorgang, der stark übertrieben als Atmung der Wände bezeichnet werden könnte, ist die Feuchte-Speicherwirkung der obersten Millimeter der Innenwandfläche bei offenporigen Materialien wie etwa Lehmputz. Dies kann die Raumluftqualität durchaus sehr positiv beeinflussen. Doch für einen Luftaustausch müsste es schon richtige Spalten geben. Aber der dadurch entstehende Luftwechsel ist dann keineswegs kontrolliert, sondern hängt nur von Wind und Wetter ab. Und da heutzutage am Bau immer mehr von Luftdichtheit gesprochen wird, scheiden solche Energie fressenden Zufälligkeiten sowieso aus.

Luftdichtheit im Bauwesen

Spalten und Ritzen in der Gebäudehülle sind also unerwünscht. Neben fehlender Kontrollierbarkeit besteht die Gefahr von Schäden an den gedämmten Bauteilen und hohen Energieverlusten. Deswegen wird heute dicht gebaut. Seit 1996 gibt es die DIN V 4108-7, die festlegt, wie dies erreicht werden soll. Seit Mitte 1998 ist sie auch anerkannte Regel der Technik und damit für Bauausführungen verbindlich vorgeschrieben. Doch noch heute wissen viele Handwerker nichts mit diesem Begriff anzufangen und haben keine Ahnung, worauf es beim Bau eines luftdichten Gebäudes ankommt. Dadurch verfehlen viele Neubauten die vorgeschriebenen Anforderungen. Mit der neuen Energie-Einsparverordnung (EnEV) wird die Luftdichtheit eine wesentlich größere Rolle spielen und sich vermutlich bald allgemein durchsetzen. Doch keine Angst: Auch die modernen Häuser sind nicht wirklich dicht, wir werden nicht darin ersticken. Rund zehn bis 20 Prozent des Luftbedarfs werden auch zukünftig - unerwünscht - über die Fugen der Gebäudehülle herein kommen.

Schattenseiten

Die dichte Bauweise zum Schutz der Gebäudehülle und zur Verringerung der Energieverluste hat auch ihre Schattenseiten: Zum Abtransport des Wasserdampfes, der beim Wohnen, Kochen oder Duschen entsteht, müssen die Nutzer regelmäßig und ausreichend die Fenster öffnen. Und nicht nur im Single-Haushalt ist diese Regelmäßigkeit nur schwer möglich. Schließlich hat der Mensch kein Sinnesorgan für die Luftfeuchte, wohl aber für Luftzug und Temperatur. Auch die Dauerkippstellung der Fenster bietet keine Lösung und führt höchstens zu großen Energieverlusten. Um neben der Energieeinsparung auch noch einen qualitativen Sprung im Wohnkomfort zu erreichen, werden heute Lüftungsanlagen eingesetzt. Erst dieser Schritt löst das Problem der ständigen Pflicht zum Fenster öffnen und schließen und bietet statt einem vom Wetter abhängigen Raumklima ein Energie sparendes und klimatisch angenehmes Wohnen.

Lüftungsanlagen

Bereits heute werden von vielen Hausanbietern Lüftungsanlagen standardmäßig mit angeboten. Diese führen Wohnräumen Frischluft zu und saugen die entsprechende Luftmenge in Küche und Bad/WC wieder ab. Damit wird eine komfortable Frischluftversorgung garantiert, ohne auf die Fensterlüftung angewiesen zu sein. Oft werden diese Anlagen auch mit einer Wärmerückgewinnung ausgestattet, wobei der größte Teil der Wärme von der Abluft auf die Frischluft übertragen wird, was den Heizwärmebedarf weiter deutlich reduziert. Bei diesen Anlagen handelt es sich übrigens keineswegs um die gefürchteten Klimaanlagen, bei denen die Luft in Kreisläufen und durch Wäscher geführt wird. Lüftungsanlagen führen nur die Außenluft über (Pollen-)Filter ins Haus und leiten die verbrauchte Luft ohne Vermischung ab.

Ein Problem lösen allerdings auch die marktüblichen Lüftungsanlagen nicht, nämlich das der trockenen Luft im Winter. Wenn es draußen sehr kalt wird, ist der Feuchtegehalt der Umgebungsluft sehr gering. Der Wasserdampf, der beim Wohnen entsteht, reicht dann nicht mehr aus, um die Frischluft auf eine angenehme Luftfeuchte zu bringen. In solchen Fällen muss die Anlage dann auf die kleinste Stufe gestellt werden, um nur die minimal notwendige Luftmenge auszutauschen. Dieses Problem ist jedoch auch bei konventioneller Heiztechnik und Fensterlüftung nicht kleiner. Der größte Vorteil dieser Anlagen ist der Komfortgewinn. Bisher wurde oft schlechte Luft akzeptiert, um nicht dem frischen kalten Luftzug ausgesetzt zu sein oder auch, um nicht regelmäßig die Fenster öffnen zu müssen. Mit Hilfe dieser Anlagen werden Gerüche und die verbrauchte Luft wirksam aus dem Haus geführt und die Luftqualität steigt spürbar an.

Immer geschlossene Fenster?

Dennoch bestehen häufig noch Vorbehalte gegenüber Lüftungsanlagen: Es wird befürchtet, dass man die Fenster nicht mehr öffnen darf. Doch dies ist keineswegs verboten. Sie dürfen die Fenster öffnen, im Prinzip so lange Sie wollen. Allerdings verzichten die Bewohner von Häusern mit Lüftungsanlagen von selbst darauf, weil die tief verankerte Erfahrung, dass frische Luft spürbar kalt sei, durch die neue Erfahrung einer ständig guten Luftqualität ersetzt wird. Bewohner von Häusern mit Lüftungsanlage haben dafür in konventionellen Häusern oft das Gefühl, dass die Luftqualität schlecht sei und gelüftet werden müsste. Erwähnt werden muss außerdem, dass die sauerstoffreiche Luft vor der Lunge mit vielen zusätzlichen Materialien in Berührung kommt, deren Unbedenklichkeit vom Anbieter bestätigt werden sollte.

Anlagentypen

Es gibt zwei grundsätzlich verschiedene Arten von Lüftungsanlagen. Zum einen die einfachen Abluftanlagen, bei denen lediglich die Abluft aus Bad, WC und Küche über Kanäle und Ventilator abgesaugt wird. Als Folge davon strömt die Frischluft über Zuluftventile in den Außenwänden der Wohn- und Schlafräume nach. Die Alternative sind Anlagen mit Wärmerückgewinnung, bei denen zusätzlich die Zuluft über Kanäle und Ventilator den Räumen zugeführt wird. Über einen Wärmetauscher wird die Wärme der Abluft auf die Zuluft übertragen und weitgehend zurückgewonnen. Daneben gibt es noch dezentrale Lüftungen, die einzelne Räume oder Raumgruppen von ihrem Einbauort in der Außenwand oder am Fenster belüften. Auch diese sind oft mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Darunter gibt es als besonders interessante Variante einen Ökolüfter, der nicht nur die Wärme, sondern an kalten Wintertagen auch gezielt die Feuchtigkeit zurückgewinnen kann. Derzeit ist eine Version dieses Lüfters für die Altbausanierung kurz vor dem Markteintritt.

Nach den neuesten Studien vom Niedrigenergie-Institut (NEI) in Detmold funktionieren reine Abluftanlagen nur eingeschränkt so, wie sie geplant wurden. Die Abluftseite stellt keine Probleme dar, doch die Zuluft kommt oft nicht durch die vorgesehenen Ventile sondern durch die noch vorhandenen Restundichtigkeiten in der Gebäudehülle, hauptsächlich der Haustür. Auch bieten diese Anlagen keine Energieeinsparung, lediglich einen Komfortgewinn. Sie sind deswegen weniger empfehlenswert.

Wärmetauscher

Drei Bauarten von Wärmetauschern werden zur Rückgewinnung der Abluftwärme eingesetzt. Die ersten Anlagen waren mit kostengünstigen Kreuzstrom-Wärmetauschern ausgestattet, die zirka 65 Prozent der Abwärme zurückgewinnen konnten. Diese Anlagen gibt es zwar noch, doch werden heute hauptsächlich Gegenstrom-Wärmetauscher oder eine Kombination, Kreuz-Gegenstrom-Wärmetauscher, eingebaut. Die beiden letztgenannten kommen auf reale Wirkungsgrade von rund 85 Prozent. Speziell für Passivhäuser gibt es noch so genannte Kompaktanlagen, die nach dem Wärmetauscher noch eine elektrische Wärmepumpe integriert haben, die die Restwärme der Abluft nutzt, um Warmwasser zu bereiten. Diese Anlagen sollten jedoch nur nach einer ausführlichen Gesamtbilanzierung eingesetzt werden, denn wenn es draußen wirklich kalt wird, wird mit Strom direkt geheizt. Oft sind diese Anlagen insgesamt nicht sehr effizient.

Altbau mit Lüftungsanlage?

Alleine aus Komfortgründen kann der Einsatz einer Lüftungsanlage für jeden Bereich beim Wohnungsbau empfohlen werden - unabhängig vom Energiestandard des Gebäudes. So wie sich Zentralheizungen und die Isolierverglasung etabliert haben, werden bald auch Lüftungsanlagen selbstverständlich sein. Das gilt auch für Altbauten. Bevor hier jedoch Lüftungsanlagen eingebaut werden, sollten die anderen Hausaufgaben gemacht sein: Ohne eine luftdichte Sanierung des Gebäudes ist die reibungslose Funktion der Anlage nicht gegeben. Zudem stellt sich die Frage, wo die Luftkanäle verlegt werden sollen. Beide Probleme setzen eine gründliche Planung voraus. Dabei kann im Baubestand auf Grund der kaum zu realisierenden Verlegung von Zuluftleitungen als Resultat auch der sinnvolle Einsatz von reinen Abluftanlagen in Betracht kommen. Große Vorbehalte gibt es derzeit noch hinsichtlich des Einsatzes im Mietwohnungsbau. Oft trauen Vermieter den Mietern nicht zu, dass diese in der Lage sein könnten, Lüftungsanlagen richtig zu bedienen. Doch genau im Mietwohnungsbau gibt es die meisten Probleme mit Feuchte, Schimmel und ungenügender Lüftung, gegen die man Lüftungsanlagen am wirksamsten einsetzen kann. Um die vermietete Bausubstanz nachhaltig zu bewahren, müssen also zunächst die Vorurteile auf Seiten der Eigentümer beseitigt werden.

Dichte Basis

Wer heute baut, sollte zuerst darauf achten, dass das Gebäude ausreichend luftdicht ist. Sonst kommt bei windigem Wetter zu viel kalte Luft ins Haus und es zieht unangenehm. Bei Windstille müssen die Bewohner dagegen durch ein verstärktes Lüften den Luftstillstand aktiv kompensieren. Das Lüftungsverhalten wird also dem Wetter und nicht allein den Bedürfnissen der Bewohner angepasst. Weiterhin ist es sinnvoll, eine Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung einzubauen. Bedenken Sie den Wert Ihrer Immobilie, wenn in 20 Jahren Lüftungsanlagen genauso selbstverständlich sind wie heute eine Zentralheizung. Außerdem müssen Sie den Investitionskosten das durch die geringen Lüftungswärmeverluste gesparte Geld gegenüber stellen. Wenn Sie nun noch dafür sorgen, dass Planung und handwerkliche Ausführung stimmen, dann können Sie wirklich sagen, dass Ihr Haus atmet - ganz im natürlichen Sinne.

Bild: LBS

Text: Friedemann Stelzer
bauen. wohnen. leben.www.homesolute.com

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