Baubiologisch bauen, gesund wohnen
Naturbaustoffe liegen im Trend. Kein Wunder – schließlich versprechen diese erstrebenswerte Ziele wie gesundes Wohnen und Wohlbefinden. Doch das ist noch nicht alles: auch Energieersparnis und Umweltschutz sollen mit einer „natürlichen“ Bauweise einhergehen. Doch was genau verbirgt sich hinter Begriffen wie „Naturbaustoff“ oder „Baubiologie“ und was können diese tatsächlich bewirken? Wir haken nach, beim Baubiologen Dieter Schuller von naturbaudirekt:
Herr Schuller, was ist mit Baubiologie gemeint? Was kann ich mir darunter vorstellen?
Schuller: Baubiologie ist die „Lehre von den ganzheitlichen Beziehungen zwischen den Menschen und ihrer Wohnumwelt“. So lautet die Standarddefinition.
Warum ist es sinnvoll – wenn nicht sogar nötig – „baubiologisch“ zu bauen?
Schuller: Die positiven Wirkungen baubiologischen Bauens sind sehr mannigfaltig: Zum einen sind alle baubiologischen Produkte im Sinne der „ Nachhaltigkeit “, die mit den besten Werten. D. h. von der Herstellung (z. B. aus nachwachsenden Rohstoffen, geringster Energieaufwand ) kurze Transportwege, optimale bauphysikalische Eigenschaften bis hin zum Recycling / Kompostieren . Also die im Sinne der Vollkreislaufwirtschaft optimalsten Baustoffe, die uns helfen, viele Problemfelder unserer modernen Zeit gleichzeitig zu lösen.
Zum anderen ist da die Wirkung von Baustoffen auf die Menschen in den Häusern zu sehen. Baubiologisch optimale Baustoffe zeichnen sich durch die Schaffung eines positiven Wohn- und Lebensraumes aus ohne Schadstoffe abzugeben. Ganz im Gegensatz zu immer wieder von bestimmten Herstellern und deren Vertretern vorgebrachten Argumenten haben baubiologisch einwandfreie Baustoffe (diese werden in der Praxis vereinfachend als „Naturbaustoffe“ bezeichnet) eben auf eine zumeist Jahrtausende lange Erfahrung mit den verwendeten Stoffen vorzuweisen. Materialien aus Naturfasern, Lehm, Kalk usw. begleiten uns bereits seit Alters her und wenn es um Langzeit- Erfahrungen mit Baustoffen geht, dann können wohl gerade Naturbaustoffe diese vorweisen!
Unter Naturbaustoffe verstehen wir also jene Baustoffe, die in Ihrer ganzheitlichen Wirkung die günstigsten Eigenschaften besitzen.
Baustoffe müssen wie Zehnkämpfer im Sport sein: Sieger ist nicht jener, der z. B. in der Disziplin „Wärmedämmwert (U –Wert)“ das beste Einzelergebnis hat, sondern auch die Disziplinen „ sommerlicher Hitzeschutz, Schallschutz, feuchteausgleichende Wirkung, Sorptionsfähigkeit, Diffusionsoffenheit, gesundheitliche Wirkungen usw. bestens beherrschen. Wen überrascht es: Gerade die von der Natur vorgebrachten Stoffe sind da in aller Regel unübertroffen! Wir Menschen sind von Alters her an diese angepasst und die vorgenannten. Entsorgungsprobleme werden von vorne herein vermieden!
Wie sieht Baubiologie in der Praxis aus?
Schuller: In den letzen 30 Jahren wurden in Deutschland mehrere tausend Baubiologen ausgebildet. Einige davon haben sich in intensiven Zusatzausbildungen zu Hausmesstechnikern qualifiziert. Letztere arbeiten oftmals regional mit Ärzten (insbesondere Umweltmediziner) und Heilpraktiker bei Fällen von auftretenden „Hauskrankheiten“ zusammen. Näheres kann erfragt werden über den VDB (baubiologie.net) und den VB (verband-baubiologie.de).
Baubiologen sind jedoch auch als Architekten, Bauhandwerker und im Handel für Naturbaustoffe tätig. Einige sind mittlerweile auch im Ausland in USA, Australien, Kanada u. anderen Ländern tätig. Bei weitergehendem Interesse können Sie auch Kontakt mit dem Institut für Baubiologie und Ökologie, Neubeuern ( IBN ) aufnehmen: baubiologie.de.
Wie kamen Sie selbst zum Thema „Baubiologie“?
Schuller: Es gab sicher mehrere „ Schlüsselerlebnisse “: Da waren einmal im privaten Bereich Erlebnisse mit erheblichen Belastungen mit Wohngiften wie Formaldehyd, Holzschutzmittel und Elektrosmog nach Bezug eines neu gebauten Hauses – mit der Folge von langjährigen Beeinträchtigungen gesundheitlicher Art in meiner Familie. Zum anderen bin ich nach Beendigung meines Studiums (Betriebswirtschaft an der FH München) im mittelständischen Baustoffhandel gelandet. Als langjähriger Geschäftsführer eines regional bedeutenden Baustofffachhandels in München mit Baumärkten kam ich zwangsläufig auch mit dem Thema immer wieder stark in Berührung.
Beispiel: Als bedeutender Fachhandel für Eternit Produkte für Dach- und Fassaden wurde das Thema „Asbest“ in den 80er Jahren für uns ein wichtiges Tagesthema. So haben wir Mitte der 80er Jahre vom Hersteller Eternit noch Gutachten über die Bedenkenlosigkeit erhalten – und diese an unsere Kunden gutgläubig weitergeben – zu einem Zeitpunkt zu dem von der Firma Eternit selbst bereits eine neue asbestfreie Faser entwickelt wurde.
Für mich ergab sich durch solche Entwicklungen einfach die grundsätzliche Frage nach der Glaubwürdigkeit von Aussagen und Beteuerungen von Herstellern, wenn es um die eigenen Produkte geht. Dies führte dann zu meiner Anmeldung zum Lehrgang zum staatlich anerkannten Fernstudium zum Baubiologen beim IBN 1990, mit der Abschlussprüfung 1992.
Welche Vorgehensweisen raten Sie Bauherren, die baubiologisch bauen wollen?
Schuller: In jeden Fall eine kritische Informationsphase vor Vertragsabschluss! Es gibt diverse Möglichkeiten sich über Baustoffe und deren Unbedenklichkeit zu informieren. Als zu wenig geschult über diese Aspekte muss man leider immer noch viele Architekten, Bauhandwerker und Baustoffhändler nennen. Leider gehören zu diesen uninformierten Fachleuten auch viele der erst neu ausgebildeten „Energieberater “. Letztere wurden / werden vielfach mittel- oder unmittelbar beeinflusst von konventionellen Dämmstoffhersteller ausgebildet (!).
Demgegenüber gibt es einen Verband baubiologisch planender Architekten (BAU), viele Baubiologen und baubiologische Beratungsstellen, baubiologische Energieberater, Naturbaustoffhändler oder zumindest konventionelle Händler mit „Fachberater für Naturbaustoffe im BDB“ usw.
Tipp: Geben Sie nach Ihrer Informationsphase die Verwendung der von Ihnen ausgewählten Baustoffe dem Architekten für die Leistungsverzeichnisse/ Ausschreibungen vor.
Wenn Sie „schlüsselfertig zum Festpreis“ kaufen wollen: Es gibt hier natürlich Anbieter, die mit „Öko“ werben ohne dass „Öko“ drin ist. Erfreulicherweise gibt es zwischenzeitlich aber durchaus auch einige gute und namhafte Hersteller von baubiologisch vorbildlichen Häusern. Nicht nur bei Holzständer-, sondern auch bei Massivhausherstellern. (Neu ist z.B.„ Nature Homes“ von Waldberghaus). Hier können Sie sicher sein, dass die verwendeten Baustoffe gesundheitlich zuträglich und nachhaltig sind! Achten Sie in jeden Fall darauf, dass eine Volldeklaration der Inhaltsstoffe der Baustoffe zur Verfügung stehen bzw. anerkannte Prüfsiegel wie das Branchensiegel „Natureplus “ oder gleichwertige Zertifikate vorhanden sind. Waldberghaus bietet als erster einen umfassenden „Gebäudepass“ an! Dieser umfasst nicht nur den obligatorischen Energiepass, sondern auch einen lückenlosen Nachweis über die Unbedenklichkeit der verwendeten Baustoffe (Qualitätssiegel, Volldeklarationen etc.).
Mit welchen „Mehr“ – Kosten müssen Bauherren rechnen?
Schuller: Naturbaustoffe sind keinesfalls als „prinzipiell“ teuerer als herkömmliche Baustoffe einzustufen! In der gegenwärtigen Praxis ist zwar tendenziell ein Mehrpreis bei Naturbaustoffen festzustellen, der nach Region und Baupartner erheblich schwanken kann. Tatsache ist jedoch, dass bei entsprechendem „Know-how“ und höheren Planungsaufwand es durchaus möglich ist baubiologisch zu vergleichbaren Kosten wie herkömmlich zu bauen!
Aber auch bei Kostenvergleichen gilt die Forderung nach der ganzheitlichen Betrachtungsweise: Nicht der Vergleich von m²- Preis zu m²- Preis bringt die wahren Kostenunterschiede ans Licht, sondern der Vergleich des Gewerks – und ggf. des Mehrnutzens miteinander! So muss man z. B. bei der Anwendung eines Trockenestrichaufbaus im Vergleich zu einem Nassestrich auch die Austrocknungszeit von 4 – 6 Wochen beim Nassestrich bewerten. Eine Bauzeitverkürzung von 4 – 6 Wochen bei Verwendung eines baubiologisch einwandfreien Trockenestrichs spart man analog eben im Zweifel auch noch 4 – 6 Wochen Mietzahlung wegen früheren Einzugs in das neue Haus ein.
Weiteres Beispiel, das beleuchten soll was ich meine: Beim Einbau eines 2-lagigen Lehmputzes ist die zweite Lage bereits in der gewünschten Farbe – mit Naturpigmenten – durchgefärbt, so dass Malerarbeiten komplett entfallen. Auch dieser Einsparbetrag ist in einen Kostenvergleich mit einzubeziehen! Viele weitere Beispiele für derartige Zusammenhänge gibt es. Wenn man dann auch noch zu erwartende spätere Entsorgungskosten mit in eine Kostenvergleichsrechung einbeziehen würde (eine Reihe der heute üblichen Baustoffen sind als Gefahrengut eingestuft und müssen als Sondermüll entsorgt werden!), dann schneiden vielfach Naturbaustoffe tendenziell sogar kostengünstiger ab, als die vermeintlich „billigeren“ Standardprodukte!
Ein weiterer Aspekt: Handwerker die nicht regelmäßig mit Naturbaustoffen arbeiten nehmen oftmals einen „Angstaufschlag“, weil sie einfach nicht wissen wie schnell das „andere“ Material zu verarbeiten ist und auf die sichere Seite gehen wollen. Einige davon glauben immer noch Kunden die unbedingt „Bio“ wollen auch richtig „zur Kasse“ bitten zu können. Die Verteuerung ist hier künstlich durch höhere Gewinnmitnahmen verursacht. Wenn man dann noch den Effekt wegbekommen würde, dass die Hersteller von Naturbaustoffen durch geringere Stückzahlen im Vergleich zu den Produzenten herkömmlicher Produkte höhere Fixkostenanteile kalkulieren müssen (geringerer Effekt der Fixkostendegression aufgrund geringerer Produktionsmenge), dann wäre sicher eine Umkehrung des Vorurteils „Naturbaustoffe sind teuerer“ erreichbar. Denn die Grundstoffe für Naturbaustoffe wie Naturfasern, Lehm, Kalk usw. sind äußerst preiswert!
Welche positiven Eigenschaften auf Wohnklima und Energiebilanz sind zu erwarten?
Schuller: In jeden Fall eine „Wohlfühlatmosphäre“ im Haus! Ein Haus / Wohnung mit idealer Raumluft, geruchsneutral, frei von künstlichen Störfeldern sowohl im Wohn- wie im Schlafbereich.
In Sachen Energiebilanz kann baubiologisch bis zu einem „ Nullenergiehaus“ alles gebaut werden. Nur mit dem Einsatz von Naturbaustoffen – in diffusionsoffener Bauweise – werden die oft belastenden Wirkungen auf die Raumluft wie bei anderen Baustoffen/ Systemen vermieden. Viele gebaute Niedrigenergiehäuser sind eben nur energetisch optimiert - mit fatalen Folgen für die Raumluft und das gute Wohngefühl.
Bild: Dieter Schuller, Baubiologe
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