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Toben ohne Grenzen?

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Was Kinder als Hausbewohner dürfen – und was nicht.

Die Spiele haben sich im Laufe der Jahrzehnte geändert, der Geräuschpegel ist gleich geblieben. Ob Kinder als Cowboy und Indianer oder als Harry Potter durch die Nachbarschaft ziehen, häufig geht es dabei auch mal lauter zu. Nicht immer zur Freude der Erwachsenen. Deutsche Gerichte sind in aller Regel großzügig und gestehen dem Nachwuchs zu, sich auszutoben. Doch wo liegen die Grenzen des Zumutbaren? Der Infodienst Recht und Steuern der LBS hat in seiner Sonderausgabe zum Thema Kinder einige Urteile zusammengestellt.

Manchmal sind die lieben Kleinen wirklich frech. So machte sich ein Halbwüchsiger aus Bayern einen Spaß daraus, gemeinsam mit einem Freund durchs Fenster einer im Erdgeschoss gelegenen Wohnung zu schauen. Dabei schnitten die beiden auch noch Grimassen. Das verletzt eindeutig die Privatsphäre der Nachbarn, entschied das Oberlandesgericht München (Aktenzeichen 32 Wx 65/05). Es verpflichtete den Großvater, der in diesem Fall Erziehungsberechtigter war, zum Einschreiten. Er müsse dafür sorgen, dass seine Enkel nicht ständig die Mitbewohner belauerten.

Weit häufiger als mit der kindlichen Neugierde müssen sich Juristen mit dem Ballspiel und seinen Folgen befassen. Im Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft vielleicht noch mehr als sonst. Denn immer wieder landet das Geschoss aus Versehen auf einem fremden Grundstück. Als der Ball zum zweiten Mal auf ihrem Rasen lag, zog eine Nachbarin vor den Kadi. Sie wollte den Kindern zweierlei verbieten lassen: dass sie über den Zaun steigen und sich ihr Spielgerät holen und – viel grundlegender – dass sie überhaupt noch mit dem Ball spielen. Das Landgericht München II (Aktenzeichen 5 O 5454/03) entschied salomonisch. Selbstverständlich dürfe der Nachwuchs weiter mit dem Ball herumtoben, aber wenn dieser bei der Nachbarin lande, dann müssten sie diese um Herausgabe bitten und dürften sich nicht selbst helfen.

Immer wieder stören sich Mitbewohner daran, dass die im Hause lebenden Kinder auch noch ihre Freunde einladen und so für zusätzlichen Lärm sorgen. Ein Bürger aus Bremen versuchte, das zu unterbinden. Den privaten Spielplatz in einem Wohngebiet sollten seiner Meinung nach nur Kinder der angrenzenden Grundstücke benutzen dürfen. Doch damit kam der Kläger vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen (Aktenzeichen 1 BA 49/87) nicht durch. Selbstverständlich dürften auch Freundinnen und Freunde eingeladen werden, befanden die Richter.

Manchmal wollen Nachbarn den Kinderlärm schon verhindern, bevor er überhaupt entsteht – indem sie den Zuzug von Familien boykottieren. Nur in ganz besonderen Ausnahmefällen haben sie damit Erfolg. So zum Beispiel ein Eigentümer, der die direkt unter seiner eigenen Wohnung gelegene Immobilie an eine alleinstehende Person vermietet hatte. Als sie auszog, bot sie ihm eine vierköpfige Familie als Nachmieter an. Das Landgericht Hildesheim (Aktenzeichen 7 S 41/05) gestand dem Eigentümer zu, die Nachmieter abzulehnen – aber nur, weil er selbst über dem Objekt wohne und direkt von dem steigenden Geräuschpegel betroffen sei. Grundsätzlich hat der Bundesgerichtshof (Aktenzeichen VIII ZR 244/02) festgelegt, dass ein Nachmieter nicht nur deswegen abgewiesen werden darf, weil er Kinder hat.

Wie bereits erwähnt, gesteht die deutsche Justiz dem Nachwuchs zu, sich mit Schreien, Weinen, Lachen und Toben bemerkbar zu machen. Wenn allerdings die Eltern ihre Kinder überhaupt nicht in den Griff bekommen und regelmäßig vom frühen Morgen bis in die Nacht hinein die Wände wackeln, dann kann ein Eigentümer der Familie mit Rücksicht auf die anderen Mieter kündigen (Landgericht Berlin, 62 S 290/98). Im konkreten Fall waren bereits zahlreiche Versuche gescheitert, den Streit unter den Bewohnern auf friedliche Weise zu schlichten.

Wie sehr man sich auch gestört fühlen mag, eines ist jedenfalls gar nicht erlaubt: die Geräusche aus der Nachbarwohnung mit „Gegenlärm“ zu beantworten. Auf diese Idee war ein Mann aus Hamburg gekommen. Jedes Mal, wenn es ihm zu laut wurde, klopfte er mehrere Minuten lang auf Heizkörper und Heizungsrohr. Das Amtsgericht Hamburg (Aktenzeichen 47 C 1789/95) untersagte ihm das. Wenn er meine, sich gar nicht anders helfen zu können, dann müsse er notfalls vor Gericht ziehen.

Auf ganz andere Weise versuchte ein Mitbewohner den Lärm aus der über ihm gelegenen Wohnung zu reduzieren. Er wollte die Familie dazu bringen, den kurz zuvor freigelegten Holzboden wieder mit einem Teppich zu versehen. Denn es handle sich um eine unerlaubte bauliche Veränderung. Das Oberlandesgericht Düsseldorf (Aktenzeichen 9 U 218/96) sah das nicht so. Der Eigentümer habe dem Entfernen des Teppichbodens zugestimmt, somit sei die Sache rechtlich nicht zu beanstanden.

Mangels anderer Möglichkeiten sind Kinder in Städten oft gezwungen, vor den Garagen oder im Innenhof eines Hauses zu spielen. Das wollten Nachbarn mit Hilfe des Kadi verhindern. Aber das Landgericht München (Aktenzeichen 1 T 14 129/88) fand, der Lärm sei zumutbar. Was die Juristen besonders empörte: Die Wohnanlage war auch noch mit Mitteln eines Sonderprogramms für Familien mit Kindern errichtet worden.

 

Bild: LBS
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