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Die Evolution der Küche: Von Küchenleisten und Rauchküchen

Bild: fotolia

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Zum typischen, modernen Küchenpanorama gehören Küchenleisten, Herd- und Backöfen, Kühlschränke sowie diverse spezielle Staumöglichkeiten wie selbstverständlich dazu. Dort, wo Kochen, Essen und soziale Interaktionen im Mittelpunkt stehen, erfüllen die verschiede-nen Gegenstände eine wichtige Ordnungsfunktion, damit Nahrungszubereitung und -aufnahme möglichst effizient vonstattengehen können. Hinzu kommt eine Fülle an schriftlich und mündlich überliefertem Wissen über die Zubereitung bestimmter, kulturspezifischer Speisen. Diese moderne Küche und die dazugehörigen Praktiken des Kochens und Essens sind das vorläufige Ergebnis eines langen sozialen Evolutionsprozesses, der im Folgenden skizzenhaft dargelegt wird.

Archäologisch finden sich die ersten Belege für so etwas wie eine Küche in der Zeit zwischen 8350 und 7370 v.Chr. Die »Küchen« dieser Zeit waren zumeist in den Innenhöfen der Lehmhütten angesiedelt, in denen die Menschen damals lebten. Zur Grundausstattung dieser ersten Küchen gehörten Lehmöfen, offene Feuerstellen und Mahlsteine. Dabei handelte es sich wohlgemerkt noch um Gemeinschaftsküchen, die etwa von mehreren Familien oder der ganzen Dorfgemeinschaft genutzt wurden. Selbst im antiken Griechenland oder im antiken Rom waren Küchen noch weitgehend gemeinschaftlich organisiert, während die Privatküche nur einigen wenigen Wohlhabenden vorbehalten war.

 

Von der offenen Feuerstelle zum separaten Raum

 

Bis ins Mittelalter hinein hatte sich die Küche nicht sonderlich verändert. Gekocht wurde meistens über einer offenen Feuerstelle oder einem Herdofen in der Mitte des Hauptraumes eines Gebäudes. Diese Räume waren meist dunkel, verrußt und verraucht, sodass man im europäischen Raum auch von »Rauchküchen« oder »Schwarzküchen« zu sprechen pflegte. Ungefähr zwischen dem 10. und 12. Jahrhundert entstanden schließlich vor allem in Japan erste Küchen als separate Räume innerhalb von Gebäuden. Und auch in Europa wurde der Herd von der Raummitte an die Wand verlegt, da er mit dem Aufkommen von Kaminen sowie aufgrund seiner Lokalisierung in einem getrennten Raum nicht mehr als Wärmequelle genutzt werden musste und konnte.

 

Damit war auch der Startschuss gefallen, die »autonome Küche« immer weiter auszugestalten und zu perfektionieren. Es entstanden nicht nur spezielle Schränke, in denen Besteck und Kochgeschirr aufbewahrt wurde, sondern eben auch Küchenleisten zum Aufhängen von häufig gebrauchten Kochinstrumenten. Dies führte natürlich auch zu einer Evolution von Küchengeräten und Kochtechniken, die wiederum ihrerseits eine Evolution der Esskultur nach sich zogen. Die Küche wurde zunehmend zum Ort und das Kochen immer mehr zur Praxis der Distinktion - der symbolischen Darstellung des eigenen sozialen Status und des Geschmacks. Beispiel hierfür liefern etwa die Küchen aus der Epoche der Renaissance im 15. und 16. Jahrhundert. Hier wurden beispielsweise neben dem Herd, der nunmehr mit einer Eisenplatte versehen wurde, vermehrt auch Backöfen eingesetzt, die speziell bei Pasteten und Kuchen zum Einsatz kamen; ebenso wurden Küchen mit Waschbecken ausgestattet, neue Töpfe und Pfannen entwickelt und spezielle Ablagen gefertigt.

 

Von der privaten Küche zur Großküche

 

Aufgrund der evolutiven Entwicklung der Küche zu einem immer raffinierter werdenden, funktionalen System der Nahrungsmittelzubereitung entstand schließlich auch die Großküche im Rahmen der Gastronomie. Es kam zu einer Ausdifferenzierung des Koch-Berufes sowie der Organisation gastwirtschaftlicher Arbeit. Der Küchenstab, bestehend aus Hilfsköchen, Geschirrspülern und Kellnern wurde fortan von einem Küchenmeister geleitet, der für die Versorgung der zumeist adligen Herrschaft zuständig war. In der Privatküche hingegen war lange Zeit die Hausfrau für die Essenszubereitung verantwortlich, während der Mann die Beschaffung von Nahrungsmitteln oder doch zumindest die Organisation der dafür notwendigen finanziellen Mittel bestellte.

 

Die Ess- und Kochkultur des 20. Jahrhunderts steht schließlich für eine weitere Ausdifferenzierung der Küche und der in ihr stattfindenden Prozesse Pate. Heute gibt es eine unzählige Menge an Rezepten, Koch- und Essgewohnheiten sowie Ratgeberliteratur. Die Praktiken des Kochens und Essens evolvieren immer weiter und bringen viele neue und interessante Phänomene hervor. Heute ist das Kochen nicht länger bloß die Sache einzelner, spezialisierter Könner, sondern hat sich gewissermaßen »demokratisiert«: Es ist das neue Hobby einer breiten Bevölkerungsschicht geworden, die nicht mehr aus reiner Notwendigkeit Essen zubereitet, sondern aus purem Genuss an einer hochentwickelten Kulturtechnik partizipiert.

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